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Das Licht der Taufe: Frühchristliche Zeugnisse


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  Das Licht der Taufe: Frühchristliche Zeugnisse

Mehrere Jahrhunderte lang war die Einstellung christlicher Theologen zu den Texten, die außerhalb des Neuen Testaments geblieben waren, recht negativ. Man war der Meinung, sie wären später entstanden als die kanonischen Schriften, sie seien von Häretikern verfasst worden und könnten die Wahrheit verzerren. Die von weltlichen Wissenschaftlern in den letzten zwei Jahrhunderten durchgeführte Erforschung frühchristlicher Schriften ergeben sehr interessante Informationen. Die frühchristliche außerkanonische Tradition ermöglicht es, die Ereignisse der evangelischen Geschichte um viele neue, wertvolle Einzelheiten zu ergänzen und diese sogar neu zu bewerten.

 

Eines der wichtigsten Ereignisse des irdischen Weges Jesu, der Anfang seiner Wirksamkeit ist die Taufe. Über sie berichten alle kanonischen Evangelien: nach Markus (1:4-11), Matthäus(3:13-17), Lukas(3:21-22), Johannes(1:29-34). Eben während der Taufe geschah das Wunder der Erscheinung Gottes in seinen Hypostasen: Der Jesum taufender Johannes hörte Vaters Stimme, sah den Heiligen Geist und bezeugte, dass dieser der Sohn Gottes war.

 

Die Taufe ist nicht das einzige evangelische Ereignis, in dem sich Gott den Menschen zeigt und "direkt" in der Welt handelt. Der Herr zeigte seinen auserwählten Jüngern seine Göttlichkeit bei der Verklärung. Der Allmächtige verstieß gegen die Gesetze der physischen Welt, indem er das tote Leib Jesu auferweckte. Am fünfzigsten Tage nach der Auferstehung verklärte der Heilige Geist die Urchristen, indem er ihnen die Predigtgabe und Sprachenkenntnisse schenkte. Der Erlöser wandte sich an Saulus, den fanatischen Bedrücker der Urchristen (Apg 9:4-6).

 

Und jedes Mal wurde das Tun Gottes in der Welt von einem besonderen, übernatürlichen Licht begleitet. Ein ungewöhnliches Leuchten sahen die Apostel, als ihr Lehrer vor ihnen umgestaltet wurde und ihnen seinen "Ruhm" – das Licht der geistigen Vollkommenheit – zeigte: "…Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider wurden weiß wie das Licht" (Mat 17:2). Die sichtbare Erscheinung des Geistes in der Pentekoste wird beschrieben als "Zungen, wie von Feuer" (Apg 2:3). Saulus wurde blind, als er ein für das physische Sehvermögen unerträgliches Licht erblickte ("Als er aber hinzog, geschah es, dass er sich Damaskus näherte. Und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht aus dem Himmel … Saulus aber richtete sich von der Erde auf. Als sich aber seine Augen öffneten, sah er nichts…" [Apg 9:3, 8]). Die Untersuchung von Christi Leichentuch von Turin ergab, dass die Auferstehung Jusu von einer ungewöhnlich starken Energieexplosion begleitet worden war.

 

Es ist anzunehmen, dass die Erscheinung Gottes in dieser Welt während der Taufe von einem übernatürlichen Licht hätte begleitet werden müssen. Die offizielle christliche Doktrin berichtet jedoch nichts vom Licht bei der Taufe. Hätte es denn wirklich so sein können, dass Gottes direkte Wirksamkeit in der Welt von keinem Lichte des "Ruhmes" als sichtbaren Zeichens seiner geistigen Kraft und Vollkommenheit begleitet wurde?

 

Doch, es gibt die Zeugnisse über das Licht der Taufe: sowohl in der Kirchentradition selbst wie in den als häretisch geltenden Texten. Von diesem Licht berichtete das bekannte nichtkanonische Evangelium – das Ebionitenevangelium. Laut dem Kirchenhistoriker Epiphanius wurde dort die Taufe Jesu so beschrieben: "Und als er aus dem Wasser kam, wurden ihm die Himmel geöffnet, und er sah den Heiligen Geist wie eine Taube herabfahren und auf sich kommen. Und er hörte die Stimme aus den Himmeln kommen: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich mein Wohlgefallen gefunden. Und wieder: An diesem Tage habe ich dich gezeugt. Und sofort erhellte ein großes Licht alles ringsum." (Epiphanius. Hereses. 30.3. Zitiert nach: Apokrify drewnich christian. Moskwa, 1989, S. 66. Russische Übersetzung I.S. Sventsitskaya).

 

Die Kirche schloss das Ebionitenevangelium in sein Kanon nicht ein, da seine Verehrer – die Ebioniten – Anhänger des häretischen Judenchristentums waren: Sie erkannten Jesum als Heiland an, blieben aber vielen Grundsätzen des Judaismus treu*. Die heutigen Forscher dieses Textes sind aber zu dem Schluss gekommen, dass er "zu derselben Zeit oder sogar etwas früher entstanden sein mag als die kanonischen Evangelien" und "…die Schrift des Neuen Testamentes beeinflusst haben kann" (Sventsitskaya I.S. Apokrify drewnich christian. Moskwa, 1989, S. 63). Die Autorität dieses Textes als von den Ereignissen der evangelischen Geschischte zeugender Quelle ist recht hoch.

 

Vom Licht der Taufe berichtet auch einer der ersten christlichen Schriftsteller, der heilige Justinus der Philosoph. In seinem polemischen Traktat Gespräch mit Tryphon dem Juden (Mitte des 2. Jh. n. Chr.) schreibt er: "Und als Jesus an den Jordan, wo Johann taufte, gekommen war und in das Wasser hinabstieg, so flammte ein Feuer im Jordan auf, und als er aus dem Wasser heraufstieg, so kam der Heilige Geist wie eine Taube auf ihn herab, wie die Apostel** diesen unseren Jesum geschrieben haben." (Gespräch mit Tryphon dem Juden, 88. Zitiert nach: Sv. Iustin, filosof i mutschenik. Tworeniya. Moskwa, 1995).

 

Justinus' Zeugnis ist nicht das einzige Bericht über das Licht der Taufe, der von der Kirchentradition aufbewahrt wurde. In einem der Kodizes des Neuen Testamentes, der in Nordafrika entdeckt worden und vom 5. Jh. n. Chr. datiert ist, wird es im Evangelium nach Matthäus Folgendes berichtet: "Und als getauft wurde, kam ein unermessliches Licht von dem Wasser hinauf, und alle erschraken, als man zum Wasser kam" (Zitiert nach: Vassilik V.V. Nowyje materialy po istorii kanona i palestinskoj gimnografii. In: Tradizii i nasledije Christianskogo Wostoka. Moskwa, 1966, S. 189). Über das übernatürliche Licht bei Jesu Taufe teilen auch die syrischen Taufbeamten aus dem 5. Jh. mit: "Erlöser leuchte an diesen Wassern auf, wie du am Jordan aufgeleuchtet hattest" (Vassilik, op. cit., S. 189).

 

Um das letztes Beispiel zu nennen: Das dem Fest der Erscheinung des Herrn gewidmete Kanon, das vom 7. Jh. n. Chr. datiert wird, enthält folgende Zeilen: "Ein ruhmwürdiges Geheimnis, einstrahlendes nicht stoffliches Feuer, nahm der Jordan in sich auf" (Vassilik, op. cit., S. 189). Die Informationen über das göttliche Licht behält die Kirche seit einigen Jahrhunderten.

 

Der Kirchenhistoriker V.V. Vassilik stellt eine Hypothese auf, all die Zeugnisse seien "lediglich auf Titianus' Daithessaron zurückzuführen", das "vereinigte" Evangelium, das von Titianus, dem Apologeten der Kirche, Mitte des 2. Jhs. verfasst wurde. Tatsächlich erwähnt der heilige Ephraem Syrus in seinem Kommentar zum Diathessaron auch das Licht der Taufe: "Als er aufgrund des Lichtes, das über dem Wasser aufkam, und der Stimme, die von dem Himmel herabfiel, erfuhr, dass er (Jesus Christus.– A.L.) in das Wasser als Bedürfnisse Befriedigender und nicht als Bedürftiger hinabstieg, erschien er zur Taufe…". Es gibt aber keine direkten Beweise, dass eben mit diesem Text die "Legende" vom Licht der Taufe entstanden ist, zumal das Diathessaron die früheste schriftliche Fixierung des Neuen Testamentes ist und wir mit Recht behaupten können, dass Titianus mit einer der ursprünglichen Varianten der evangelischen Überlieferung vertraut war.

 

Auf das Licht am Jordan weisen auch Texte hin, welche von der Kirche für häretisch gehalten werden. Im Kommentar zum Gespräch mit Tryphon dem Juden schreibt der Kirchenübersetzer von Justinus, der Geistliche P. Preobraschenski (19. Jh.): "Der Verfasser des Werkes 'De baptismo haereticorum', das in den Schöpfungen von Cyprianus veröffentlicht ist, sagt, dass im apokryphischen Buch 'Die Predigt von Paulus' zu finden ist: 'Als Jesus getauft wurde, war ein Feuer über dem Wasser sichtbar'." (Kommentar zum Gespräch mit Tryphon…, S. 279).

 

Vom Licht der Tauge wussten auch die Gnostiker. In einem von dieser Strömung des Christentums geprägten Text, dem Dialog des Erlösers, sagt der auferstandene Jesus zu seinen Jüngern: "Sein Licht kam auf mich herab!" (Russische Übersetzung des Russischen Apokryphen Studios. http://tower.vlink.ru/nag_hammadi/dialog.htm). Der Text des Dialoges ist stark beschädigt, aber im Hinblick auf die oben genannten Fragmente der frühchristlichen Überlieferung ist anzunehmen, dass es sich hier eben um die Taufe handelt. Viele Forscher zählen den Dialog des Erlösers zu den frühesten Texten des gnostischen Christentums. Helmut Köster, Professor an der Harvard University, vertritt z.B. die Meinung, der Traktat sei früher verfasst worden als das kanonische Evangelium nach Johannes (Köster H. Gnostitscheskije pissanija kak swidetelstva tradizii isretschenij. Russische Übersertzung D. Alexeejv. http://nahash.pochtamt.ru).

 

Davon, dass bei Jesu Taufe die göttliche Energie sichtbar wurde, erwähnt auch ein anderer gnostischer Text, der ungefähr von Ende des 2. Jhs. datiert wird, – das Zeugnis der Wahrheit: "Denn er (Johannes der Täufer.– A.L.), er alleine sah die Kraft auf den Jordan hinabfahren, weil er verstand, dass das Reich der leiblichen Geburt zu Ende war" (Zitiert nach: Chosrojew A.L. Alexandrijskoje christianstwo. Moskwa, 1991, S. 223). Als "Kraft" pflegte man in den urchristlichen Texten die göttliche Energie zu bezeichnen (siehe z.B. Mar 9:1), und als diese bei der Taufe sichbar wurde, sah sie der Prophet. Johannes konnte aber nur eine Lichterscheinung, ein Leuchten sehen.

 

Die wichtigste Quelle, die von den Ereignissen und Wundern während der irdischen Wirksamkeit Jesu zeugt, sind natürlich die kanonischen Evangelien. Auch sie zeugen von dem Licht während der Taufe. Das Evangelium nach Johannes berichtet: "Da war ein Mensch, von Gott gesandt, sein name war Johannes. Dieser kam zum Zeugnis, dass er zeugte von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten" (1:6-7). Johannes der Täufer hat im buchstäblichen Sinne gesehen, dass Jesus Gottes Sohn ist. "Und Johannes bezeugte und sprach: Ich schaute den Geist wie eine Taube aus dem Himmel herabfahren, und er blieb auf ihm. Und ich habe gesehen und habe bezeugt, dass dieser der Sohn Gottes ist" (1:32, 34). Wir verstehen, dass Johannes keine Taube, sondern ein Licht, das dem Flügelschlag*** geähnelt hat, gesehen; und das Licht des herabfahrenden Geistes muss von weißer Farbe gewesen sein (die Evangelisten vergleichen das Licht bei der Verklärung mit dem Schnee).

 

Dies hat den Anlass gegeben, den Geist mit der Taube zu vergleichen. Das ist gewiss nur eine Konvention: Die Menschen können die Erscheinung, die Energie des Heiligen Geistes nicht adäquat beschreiben, darum sind diese Vergleiche des Geistes mit dem Vogel oder den Schwingungen von Feuerzungen (siehe Apostelgeschichten 2:3, wo der Heilige Geist wie "zerteilte Zungen wie von Feuer" erscheint) sehr relativ anzusehen.

 

Dass Johannes bei der Taufe ein Licht gesehen hat, beweist der Satz "er blieb auf ihm". Das Bleiben des Geistes auf Jesu, "voll Heiligen Geistes" (Luk 4:1) konnte man irgendwie bemerken. Die Annahme, der Prophet habe die Taube schon auf den Schultern des Erlösers sitzen sehen, wäre vollkommener Unsinn. Die einzige Veränderung an Jesu, die der Täufer hätte bemerken können, war das Licht. Eben durch dieses Licht konnte sich Johannes überzeugen, dass dieser der Sohn Gottes war.

 

 

Anmerkungen:

 

* Tertullian, der die Ebioniten anprangerte, behauptete, diese Häresie sei von einem Mann namens Ebion gegründet worden. Den Forschern ist aber schon längst bekannt, dass die Bezeichnung dieser frühchristlichen Häresie vom hebräischen evionim "arme Leute" stammt. So nannten sich die Urchristen in Palästina, die den Gemeinsambesitz praktiziert haben.

 

** Bemerkenswert ist der Hinweis von Justinus: "wie die Apostel … geschreiben haben". Bei den Verfassern der kanonischen Evangelien finden wir aber keinen Hinweis auf das Feuer am Jordan. Auf welchen von den Aposteln verfassten ("geschriebenen") Text bezieht sich denn der Heilige? Es ist anzunehmen, dass er auf eines der apokryphen Evangelien Bezug nimmt. Interessant ist, dass das Ebionitenevangelium in der Wir-Form geschrieben ist, als wäre es von den Aposteln verfasst: "Es kam ein Mensch, sein Name war Jesus… Er hat uns auserwählt." Epiphanius. Hereses. 30. Zitiert nach: Apokrify drewnich christian. Moskwa, 1989, S. 66. Russische Übersetzung I.S. Sventsitskaya). Vielleicht hat Justinus mit dem "von den Aposteln Geschriebenen" eben dieses Evangelium gemeint?"

 

*** Davon, dass Johannes der Täufer keinen Vogel hätte wirklich sehen können, zeugt auch die Uhrzeit der Taufe. "Die syrischen Texte bestätigen, dass bei den syrischen Christen die Nachttaufe längere Zeit Tradition war, die sich auf das Urchristentum zurückführen lässt. Das hängt damit zusammen, dass die Überlieferung, die in den "Apostelvefügungen" niedergeschrieben ist, als die Uhrzeit der Taufe Jesu zehn Uhr abends nennt, d.h. vier Uhr nachts" (Meschtscherskaja E.N. Apokrifitscheskije dejanija apostolow. Moskwa, 1996, S. 360).

 

Original lesen

Autor Alexandr Loginov

Übersetzen Kyrill Schischigin

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